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Keine Auszeit und ein zweites Zuhause

Veröffentlichung: NNP (28.07.2025)

Die Musikabteilung der Turngemeinde Camberg feiert ihr 75-jähriges Bestehen / Die Musiker haben viel zu erzählen

BAD CAMBERG. Jeden Montagabend wird es in der TG-Turnhalle in der Bad Camberger Jahnstraße lustig und laut: Das Blasorchester hat Probe. Um die 30 Musiker und Musikerinnen, von 17 bis 70 Jahren, bauen ihre Instrumente auf. Die meisten barfuß oder auf Socken wegen des empfindlichen Turnhallenbodens.

Sämtliche Blasinstrumente sind vertreten, darunter besonders viele Klarinetten, Querflöten und Saxofone, aber auch ein Schlagzeug und andere Schlagwerkinstrumente. Am Schlagwerk wirkt seit Kurzem auch wieder Anna Katharina Eufinger mit. Sie ist vielen Bad Cambergern als professionelle Sopranistin bekannt. Die Atmosphäre ist fröhlich und familiär. Man merkt den Akteuren an, dass hier der Spaß am Musizieren im Vordergrund steht. Das ist auch für Anna Katharina der entscheidende Unterschied zu ihrer Arbeit als Profimusikerin: Dort herrschten doch mehr Perfektionismus und Konkurrenzdruck vor.

Musik entwickelt eine echte Breitenwirkung

Wie Anke Hartmann berichtet, sei für sie die wöchentliche Probe immer wie eine Auszeit vom Alltag. Sie schätzt diese „kleine, willkommene Pause“, aber auch das intensive Gemeinschaftsgefühl. Die Musiklehrerin an der Erbacher Grundschule hat das Spielen ihres Instruments, der Trompete, hier in der TG gelernt und ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied des Orchesters.

So auch Barbara „Babsi“ Wenz: wie Anke Hartmann Mitte der 1970er geboren, spielt sie seit inzwischen 40 Jahren Klarinette. Im TG-Orchester wie auch im Blasorchester des TV Niederbrechen ist sie an der Bassklarinette aktiv. Sie schätzt und pflegt die Kontakte, die auch auf Übungsfahrten und Lehrgängen entstehen. Und für sie stand und stehen schon immer das familiäre Miteinander und die Gemeinschaft im Vordergrund. In Bad Camberg und seinem Umland „wären ja sowieso alle Musiker irgendwie familiär vernetzt“, wie sie anmerkt. Die Musik entwickle so eine echte Breitenwirkung.

Dem Schulstress entgegenwirken

Einer der jüngsten Orchestermitglieder – mit 17 Jahren - ist Noah Wierschke, Schüler der 11. Klasse an der Taunusschule. Auch er begann in der TG mit dem Blockflötenunterricht, wechselte später zum Saxofon. Heute ist das „Tenorsax“ seine Leidenschaft, angestiftet von der Begeisterung seiner Eltern für dieses Instrument. Aber auch durch den Besuch der „großen“ Saxofonisten in seiner Blockflötenklasse. Für ihn ist das Orchester „wie eine zweite Familie“. Diese Verbundenheit sei es auch, die ihn immer wieder zum Üben motiviere, auch wenn das – bedingt durch den schulischen Lernstress in der Oberstufe – manchmal schwerfalle.

So gelingt jugendliche Begeisterung, jenseits von den – nur so genannten – „sozialen“ Medien und Handybildschirmen. Und die Gemeinschaft in der Musik funktioniert als „sozialer Kitt“: heute, in Zeiten von Orientierungslosigkeit und gesellschaftlichen Verwerfungen, nötiger denn je.

75 JAHRE BLASORCHESTER IN BAD CAMBERG

  • In Bad Camberg übernahm im Jahr 1950 die Turngemeinde den Spielmannszug des katholischen Jünglingvereins. Unter der Leitung von Herbert Schmitt kamen zu den anfangs eingesetzten Flöten, Trommeln und Fanfaren nach und nach andere Blasinstrumente.
  • Ab 1971 ersetzten insbesondere die Klarinetten die Flöten. Mit dem Einsatz von Posaune und Horn trat langsam die Marschmusik in den Hintergrund, und es wurde das Spielen nach Noten etabliert. Die Umbenennung in Musikzug war der nächste Schritt und der Schwerpunkt lag fortan auf der Blasmusik.
  • 1978 begann mit der Übernahme der Musikabteilung durch Iris Schmidt und der Gründung des Bläser-Vororchesters die gezielte Nachwuchsförderung. Unter der Leitung und Ausbildung von Hans Steiner als Dirigent erfolgte die kontinuierliche Entwicklung zum modernen Blasorchester. Seit 1999 wird für die Jüngsten die „musikalische Früherziehung“ und seit dem Jahr 2000 im Anschluss auch Instrumentalunterricht (Blockflöte und Querflöte) angeboten. Und das zu noch immer äußerst erschwinglichen Preisen.
  • Aktuell wird das Orchester mit seinen über 50 Mitgliedern von Mathias Müller-Lenz geleitet. Er ist Jahrgang 1986 und ein „musikalisches Eigengewächs“: selbst Spross einer Camberger Bläserfamilie, erlernte er als Kind das Musizieren in der TG und studierte später unter anderem Orchesterleitung. Heute ist er im Hauptberuf Gymnasiallehrer.
  • Zu einem vorläufigen Höhepunkt seiner kontinuierlichen Arbeit mit dem Orchester wurde die Teilnahme am Wertungsspiel beim diesjährigen Bundesmusikfest in Ulm Anfang Juni. Mit beachtlichem Erfolg: Die Jury vergab mit 88,7 erreichten Punkten das Prädikat „sehr gut“. Das nächste musikalische Projekt wird das Jubiläumskonzert am 14. September 2025 in der TG-Halle sein. Interessierte erwartet ein spannendes und heiteres Programm, das besonders für Familien angelegt ist.

Susanne van Someren


Das TG-Blasorchester ist gerne zur Stelle, wie hier beim Bundesmusikfest in Ulm, Foto: TG


Probe in der vereinseigenen Turnhalle: Das TG-Blasorchester unter Leitung von Mathias Müller-Lenz ist konzentriert bei der Sache, Foto: Susanne van Someren

 

 

Erstellt am 29.07.2025 von Redaktion